Antigua – Nevis: Traumstrände und zerstörerische Vulkangewalt

Unter Segel und mit laufendem Motor fahren wir nach Jolly Harbour, wo uns die erste Marina seit Wochen erwartet. Der Motor macht keinerlei Probleme und läuft so zuverlässig als sei nie etwas gewesen. Kaum haben wir in der Box festgemacht, rufts vom Nachbarboot rüber. Ein deutscher Segler, den ich bereits bei meiner Ankunft auf Grenada kennen gelernt habe. Man trifft anscheinend in jeder Marina bekannte Gesichter.
Die Marina macht einen guten Eindruck und als wir erfahren, dass hier Gasflaschen innerhalb von vier Stunden befüllt zum Boot zurück gebracht werden, ärgern wir uns sehr. Haben wir unsere doch Vortags in Falmouth Harbour zu unverschämten Preisen und unter falschen Informationen (es gebe in Jolly Harbour kein Gas Service) auffüllen lassen und müssen diese am nächsten Tag per Bus abholen.
Nach zwei erholsamen Tagen in der Marina geht es weiter nach Barbuda, der kleinen Schwester von Antigua, die wunderschöne Sandstrände verspricht und kein Fremder kann dort Land kaufen.
 Barbudas endlose SträndeAls wir auf der kleinen, scheinbar völlig verlassenen Insel ankommen, bietet sich uns ein traumhafter Anblick. Sand soweit das Auge reicht. Ankern in einer türkisfarbenen Bucht. Nur ein verlassenes Hotel auf der linken und ein winziges, wenig besuchtes Hotel auf der Rechten. Wie wir bei unserem ersten Ausflug erfahren, kann tatsächlich jeder Bewohner Barbudas (es wohnen derzeit rund 1500 Personen auf der Insel) sein Haus ohne irgendwelche Nachfragen oder Grundstückskäufe bauen. Investoren können zwar kein Land kaufen, dafür aber pachten. So kommt es, dass die kleine Insel beinahe unberührt ist und den Reichen und Seglern vorbehalten bleibt (ein Ein-Zimmer-Appartement kostet hier 1800 USD pro Nacht und bietet Unterkunft für genau eine Person. Essen und Ausflüge sind natürlich Inklusive;-)). Als Segler wird einem die Reise nach Barbuda dadurch beschwert, dass man ohne Genehmigung des Comptrollers dort nicht ausklarieren kann und man daher entweder innerhalb von 24 Stunden nach dem Ausklarieren in Antigua das Land verlassen muss oder nach Antigua zurückkehren muss. Wir konnten leider wegen unerklärlichen Problemen erst nach zwei Tagen ausreisen und haben uns die Umstände einer Genehmigung erspart.
Nach einem Tag im Süden gehen wir weiter nach Norden, wo wir per Wassertaxi über eine Lagune in die Hauptstadt wollen. Die Lagune ist vom Meer durch einen Sandstreifen von wenigen Metern Breite und mehreren Kilometern Länge getrennt und dazu mit einem feinen Schimmer von rosafarbenem Korallensand bedeckt. Sieht man davon ab, dass auf dieser Insel alle Preise mit einem Faktor über 2 multipliziert werden und der Ankerplatz durch Schwell sehr ungemütlich ist, bleibt einem ein kleines, verschlafenes Paradies mit kaum vorhandenen Touristen.
Am folgenden Tag geht’s für uns früh raus. 60 Seemeilen bis Montserrat und achterliche Winde erwarten uns. Alles läuft problemlos und es sieht so aus als würden wir vor der Dunkelheit in unserer kleinen Bucht einlaufen, da fällt auf einen Schlag das Vorsegel ins Wasser. Die Rolle des Spinnakerfalls (Ersatz für das gebrochene Vorfall) ist heruntergekommen und der Bolzen, der sie zuvor gehalten hatte, in der Mitte gebrochen. Unter Großsegel und Motor machen wir die letzten 12 Seemeilen und kommen wenige Minuten zu spät, bei völliger Dunkelheit, an.
Tour beginnt an romantischer, verlassener RumdestilleDie Insel, die in den vergangenen 18 Jahren immer wieder von Vulkanausbrüchen geplagt wurde und 1997 hierdurch ihre Hauptstadt verloren hat, zeigt uns ihr erstes Gesicht. Grüne Bäume und Büsche überall. Hilfsbereite, freundliche Anwohner, die offensichtlich nicht nur das Geld in Touristen sehen, sondern auch voller Stolz ihre Insel erklären. Bei einer Wanderung am folgenden Tag sehen wir dann beide Gesichter. Auf der einen Seite zeigt uns Scriber, unser Führer eine stillgelegte Destillerie für Rum, den Regenwald, die friedlichen Bächlein, die Schmetterlinge, Vögel, Kröten und Stecken-Insekten, die hier leben.Wasseransammlung mit Kröte Als Gegensatz dazu steht die Verwüstung, die wir kurz darauf erblicken. Die halbe Insel wurde von dem Vulkanausbruch zerstört. Wo keine Lava und Felsen heruntergekommen sind, stehen die Häuser leer und können nicht mehr bewohnt werden. Zu gefährlich ist die Gegend und die glühende Asche, die bei den Ausbrüchen einen viertel Meter dick auf die Insel herabkam, hat die Dächer und Hütten zum Einsturz gebracht. Trotz dieser zwei Gesichter, trotz der damit verbunden Gefahr und trotz seiner Familie, die in England lebt, ist er nach Montserrat zurückgekehrt und hat sich ein neues Haus, eine neue Existenz aufgebaut.
Ehemalige Hauptstadt MontserratsAls wir zurückkehren, schüttelt der Schwell, der uns offensichtlich verfolgt, das Boot von rechts nach links und von vorn nach hinten durch. Mich erwartet nun die unangenehme Aufgabe, in den Masten zu steigen und das verlorene Vorfall zu ersetzen. Kaum bin ich im Masttop angekommen, entdecke ich die Aussichtslosigkeit meines Versuches. Bei diesem Geschwanke kann ich mich kaum festhalten und mit Sicherheit nicht den Deckel des Mastes öffnen um ein neues Fall einzuführen. Ich bringe eine zweite Leine im Masttop an, die mir beim nächsten Aufstieg zur Sicherheit dienen soll und muss ohne Erfolg wieder herabsteigen. Wir müssen also ohne Vorfall nach Nevis segeln. Der Wind, der immer weiter auf Süd dreht, hilft uns und ermöglicht uns trotz des Verlustes eine gute Überfahrt. Währen der Überfahrt ziehe ich einen kleinen Thun aus dem Wasser, was übrigens inzwischen beinahe zur Regel geworden ist. Bei jeder Überfahrt zu einer neuen Insel gelingt es mir einen Fisch aus dem Wasser zu ziehen und mit der Übung steigen auch die Erfahrung im Ausnehmen und der Genuss.
Auch Nevis erreichen wir erst mit der Dämmerung, finden aber rasch eine freie Mooring, die von der Regierung ausgelegt und obligatorisch ist. Wie auch schon die letzten Tage, quält uns der Schwell in der Bucht und macht das Boot zu einem unbequemen Aufenthaltsort, weswegen wir zahlreiche kleine Ausflüge an Land machen. Wir besichtigen die Hamilton Estate, eine weitere, stark zerfallene Brennerei, liegen am Strand, besichtigen das alte Anwesen von der Frau des Admiral Nelson (dem britischen Seehelden) oder ich tauche in der Bucht nach Muscheln und Schnecken.

Dominica – Antigua: Wasserfälle, Seen und Motorschaden?

Ich verbringe einige, wunderschöne Tage auf Dominica, wobei ich das Boot nahe Roseau, der bunten Hauptstadt der Insel, vor Anker liegen lasse. Im Anchorage Hotel, nahe meinem Boot, ist man sehr hilfsbereit und hilft mir nicht nur eine Tour zu buchen, sondern lässt mich auch, ohne Gegenleistungen zu erwarten, im Hotel sitzen und Internet, Strom und alles drum und dran nutzen. Sehr nett, wie ich finde! So kommt es, dass ich von diesem Hotel aus viele Ausflüge mache. Ich spaziere durch die Stadt, genieße die bunten Häuser, beobachte die Einheimischen und Touristen oder trinke mal hier, mal dort einen Kaffee. Dominica hat offensichtlich seinen alten Charme behalten und hat sich nicht von all den Touristen beeinflussen lassen. Die Insel bietet generell eher einen ungewöhnlichen Karibikaufenthalt. Man findet hier kaum Sandstrände und daher kommen nur wenige Touristen auf die Insel. Der Tourismus beschränkt sich bis auf die wenigen Yachten und Kreuzfahrtschiffe auf wenige Wander-Interessierte, die die wunderschönen Wasserfällen und einzigartigen Seen der Insel aufsuchen. Wasserfall Wanderung Boiling LakeWanderung DominicaIch selbst konnte eine Wanderung zum „Boiling Lake“, einem riesigen See mit kochendem Wasser, machen. Für diese sechsstündige Wanderung habe ich mir einen Führer vermitteln lassen, der mit den dortigen Pfaden vertraut ist. Zusammen mit ihm und drei anderen klettere und rutsche ich drei stunden lang Hügel und Berge hoch und runter, bis wir schließlich in einer Schlucht ankommen, die komplett Geysir, Valley of Desolationausgetrocknet zu sein scheint. In der Felsigen Schlucht, die sich vor uns eröffnet, sind zahlreiche Geysire und brodelnde Quellen, es stinkt schrecklich nach faulen Eiern und überall sind Schwefel oder Eisenablagerungen. Ein karger und Vulkanischer Fleck in Mitten des Regenwaldes, den man hier von außen gesehen nie erwarten würde. Als wir eine halbe Stunde später an besagtem See ankommen, stockt uns der Atem. Keiner von uns hätte einen so großen See erwartet. Mit einem Durchmesser von geschätzt zweihundert Meter (in Wirklichkeit beträgt er wohl nur sechzig Meter) sieht der See wie ein in Nebel gehülltes Meer aus. In der Mitte schäumt und brodelt es. Ein richtiger Whirlpool möchte man meinen. Am Ende der Wanderung spüre ich meine Knie, die bei jedem Schritt bergab mehr schmerzen.Boiling Lake Dominica2
Karneval DominicaIm Anschluss besuche ich den lokalen Karneval, einen scheinbar endlosen Umzug mit Wagen, lauter Musik, gruseligen Gestalten und den Wahlwagen der „Miss Dominica“-Anwärterinnen. Die ganze Veranstaltung erscheint mir unwirklich, erinnert mich an Deutschland und zeigt mir wie viel wir gemeinsam haben. Middleham FallsAuch meine zweite Wanderung zu den Middleham Falls, einem Wasserfall von rund 150 Fuß Höhe, konnte meine Begeisterung für die Insel wecken. Nach einer halben Stunde schon kommt man an den Wasserfall und kann bis an das Wasserbecken darunter hinabsteigen. Ist man unten angekommen, kann man im kalten Wasserbecken einige erfrischende Runden schwimmen. Den Versuch, unter den Wasserstrahl des Sturzbaches zu schwimmen muss ich nach einigen Versuchen abbrechen. Die Strömung ist zu stark und ich man sieht kaum etwas vor lauter Luftdruck und den darin gefangenen Wassertröpfchen. Bei beiden Wanderung gab es übrigens kaum Touristen und ich beschließe, dass Dominica für mich (bisher) die bevorzugte Insel für Wanderungen in der Karibik bleiben wird.
 DCIM100GOPROZum schnorcheln bietet die Insel im Übrigen auch ein herrliches Riff, das „Champagne Reef“, aus welchem stetig kleine Luftbläschen aufsteigen und das Meer durch die kleinen Schlote erhitzt wird. Dort finde ich zahlreiche, bunte Fische, die ich bisher in der Karibik noch nicht gesehen habe.
Als ich gerade mein Beiboot auslade und für die Weiterfahrt auseinander nehmen will, kommen alte Freunde vorbei. „Wir sinds, ANNE Ahoi!“ heißt es da aus dem Schlauchboot, in dem drei Kinder und deren Eltern sitzen. Ich begleite sie zu ihrem Boot und esse mit ihnen zu Abend. An eine Abfahrt am Abend glaube ich nun kaum noch und nach wenigen Stunden bin ich zurück auf meiner Takamaka. Das Beiboot lege ich noch zusammen und verstaue es, los geht es dann aber erst am folgenden Morgen, wo ich pünktlich zum Sonnenaufgang den Anker lichte.
Wal im Morgengrauen 1Der Wind weht nur schwach, ich bewege mich langsam auf Guadeloupe und noch langsamer auf Antigua zu, wo in einem Tag meine neue Mitseglerin ankommen wird. Plötzlich nimmt mir ein Motorboot unverschämt die vorfahrt. Ich gucke mich verdutzt um und stelle fest, dass es ein Ausflugsschiff eines Nachbarhotels aus meiner alten Bucht war. Der Schiffsführer winkt mir zu und ich freue mich über das wiedersehen. Als nun auch noch drei große Walrücken neben mir erscheinen, verstehe ich warum er so knapp vor mir vorbei gefahren ist. Die Wale schwimmen für knapp eine Minute neben mir her und tauchen dann wieder ab. Eine beeindruckende Erscheinung!
Die Überfahrt zieht sich trotzdem und ich werfe hinter Dominica und Guadeloupe den Motor an um zumindest aus deren Windschatten hinaus zu kommen und zu meiner Überraschung komme ich in St. John bereits am Morgen des 29. Januar an. Gerade genug Zeit um das Boot ein wenig zu putzen und aufzuräumen. Wenige Minuten später stehe ich am Flughafen und sammle Barbara ein.
Die Hauptstadt Antiguas, St. John, ist von Kreuzfahrtschiffen überrannt und biete weder Sandstrände noch irgendwelche Einrichtungen für Yachten, weswegen wir bereits am nächsten Morgen zu der kleinen Insel „Great Bird Island“ aufbrechen. Als wir am frühen Nachmittag dort ankommen, sind wir eine von knapp zehn Yachten in der Bucht und die unbewohnte Insel ist leicht mit dem Dinghi zu erreichen. Zwar ist das Wasser noch immer recht trübe und man kann kaum schnorcheln, die Insel selbst bietet jedoch zwei kleine Sandstrände und Holztische. In Kombination mit der dort herrschenden Ruhe ist der Ankerplatz eine tolle Möglichkeit um dem Massentourismus der Karibik zu entgehen.
Am nächsten Morgen soll es nach Falmouth Harbour im Süden der Insel gehen, wo ich mir eine Möglichkeit zum auffüllen meiner Wasser- und Dieselvorräte erhoffe. Bereits bei abreise stellt sich die Navigation durch das Riff, das Antiguas Nordküste vom offenen Meer trennt, als ungewohnt schwer heraus. Statt im Standgas in einem Kanal zu fahren, tasten wir uns mit einem halben Knoten langsam zwischen den Riffen hindurch. Immer wieder kupple ich ein und aus um die Geschwindigkeit kontrollierbar zu halten und den Anweisungen von Barbara zu folgen, die nun am Bug steht und mir sagt ob ich mich weiter rechts oder links halten solle.
Kaum liegt diese Hürde hinter uns, atmen wir auf und bringen die Angel aus. Schon nach wenigen Minuten beißt ein großer Fisch. Wie wir später erfahren handelt es sich um einen „Horse-Eye Jack“, der leider wegen der Gefahr einer Ciguatera-Vergiftung ungenießbar ist. Trotz allem freuen wir uns vorerst sehr über den mächtigen Fisch, den wir aus dem Wasser ziehen konnten.
Als der Wind zusehends einschläft und wir immer langsamer werden, werfen wir den Motor an. Für zwei Stunden motoren wir gegen die Strömung an und warten vergeblich auf das Einsetzen des Ostwindes. Auf einmal tritt starker Rauch aus dem Auspuff aus und es sieht aus als würde gleichzeitig Öl ausgeworfen. Ich schalte sofort den Motor ab und vermute das Schlimmste. Der Motor muss einen ernsthaften Schaden erlitten haben, so vermute ich. Wir segeln also mit ein bis zwei Knoten unserem Ziel entgegen. Die Stimmung ist gedrückt und ich male mir die schrecklichsten Szenarien aus, wie es mit meiner Reise weitergehen wird. Als ich die Trübsal satt habe und eine Packung Brause-Bärchen aufgegessen ist, binde ich das Dinghi längsseits und drehe dessen Außenborder auf halbe Kraft auf. Die Takamaka beschleunigt langsam, ganz langsam bis auf 3,5 Knoten. Als wir nach kurzer Zeit die Bucht erreicht haben, sieht man bereits über die Hügel hinweg einige gigantische Masten aufblitzen. In der Einfahrt liegt eine Superyacht und dahinter viele mehr. Unsicher geworden nähern wir uns immer mehr der Marina, die wohl nicht für uns sondern nur für Schiffe über dreißig Metern Länge erbaut worden zu sein scheint.
Um ein einfaches Manöver fahren zu können und meine Nerven nicht weiter strapazieren zu müssen, wollen wir eine der vielen Moorings nehmen. Schon nach wenigen Minuten liegen wir an der kleinen Boje, das Schiff sauber vertäut und in vollkommenem Chaos versunken. Das Großsegel ist nicht zusammengelegt, die Genua nicht Festgebunden, der Motorraum offen und überall fliegt Kram herum. Erst einmal einen Anleger trinken, den brauchen wir jetzt!
Als sich am nächsten Tag Herausstellt, dass der Motor doch nicht kaputt ist, sondern lediglich einige Alterswehwehchen hat, die sich von selbst erledigt haben, ist meine Stimmung wieder voll auf. Vielen Dank an Ulli für die Remote-Beratung! Ohne deine Hilfe wäre vermutlich auch dieser Tag zu einer Qual geworden.
Nicht zuletzt auch alles Gute und vielen Dank an meine Liebste, die heute Geburtstag hat und leider nicht hier sein kann!